ABER "HAL(L)O"
Halo-Fixateur

Das Leben nach einem Genickbruch

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Inhalt:
1 Über uns ...
1.1 Medizinische Hintergrund-Infos “Jennifer Quittenden”
1.2 Die Halswirbelsäule
2 Hello “Halo” ...
2.1 Was ist ein Halo-Fixateur?
2.2 Fragen über Fragen …
2.3 Kleider-Ordnung?
3 Pflege
3.1 Gewusst wie!
3.2 Haare waschen -- wie geht das überhaupt mit einem Halo-Fixateur?
4 Positiv denken!
5 Physiotherapie
5.1 Ziel all dieser Anstrengungen ...
6 ... and goodbye!
6.1 Das Nächste bitte!
7 Und nun? Reha!
7.1 Kur-Schatten und Reha-Arbeit ...
7.2 Frische See-Luft und Muskelkater
7.3 Mit Konzept ...
7.4 Das war's dann wohl ...
8 Folgen
9 Nicht vergessen!
9.1 Krankenkasse
9.2 Berichte
9.3 Kfz
9.4 Berufsgenossenschaft
9.5 Unfallversicherung
10 In Kürze ...


1 Über uns ...

Eigentlich haben wir (Familie Quittenden) zu der neurochirurgischen Kunst oder der Medizin-Technik keinerlei Verbindung.
Da stellt sich die Frage: Wieso erstellen wir dann diese Publikation?
Ein Verkehrsunfall unserer Tochter Jennifer machte uns innerhalb weniger Sekunden zu persönlich Betroffenen. Vom Beginn der medizinischen Behandlung bis zum erfolgreichen Abschluss sind wir als Patient und versorgende Familie mit der menschlichen Sorge und Mühe und den alltäglichen Problemen der Technik über viele Tage und Nächte belastet und gefordert worden. In dieser Zeit tauchten Fragen auf, die uns nicht beantwortet wurden.
Wir hoffen, dass die nachfolgenden Informationen, die wir selbst und in Zusammenarbeit u.a. mit der Universitäts-Klinik Düsseldorf gesammelt haben, vielen Betroffenen und auch deren oftmals hilflosen Angehörigen helfen, diese schwere Zeit besser zu überstehen.

Für mich (Jennifer) war die Erstellung dieser Homepage nach dem Unfall ein geeignetes Werkzeug, das Denken wieder neu zu lernen, meinen Tagesablauf zu planen und mich über die Erfolge meiner neuen Aufgabe zu freuen.
Gute Besserung und erfolgreiche Heilung!

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1.1 Medizinische Hintergrund-Infos “Jennifer Quittenden”

- Polytrauma
- Schädel-Hirn-Trauma Grad II
- Genick-Bruch mit Fraktur HWK 1
  (vorderer Atlasbogen, Jefferson-Fraktur)
  und Fraktur HWK 2 (Axis-Körper/ Dens axis)
- ausgedehnte Skalpierungs-Verletzungen in
  Gesichts-/ Kopfhaut links
- Lungenkontusion beidseitig, links größer rechts
- Pneumothorax links
- Fraktur 1. Rippe links
- Doppelbilder/ Schielen
- bekannte Neurodermitis

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1.2 Die Halswirbelsäule

Der 1. Halswirbel hat den Namen „Atlas“. Der Unterteil des Hauptes lagert direkt auf diesem ersten Halswirbel, so wie auch aus der griechischen Antike bekannt, die Erde auf den Schultern des Atlas ruht.

Der 2. Wirbel hat den Namen „Dens Axis“, also Zahn der Achse. Der Dens Axis lagert sich wie ein zahnähnliches Gebilde an den Innenrand des Atlas an. Er wird mit starken Bändern an den Innenrand des Atlas gepresst und somit dort festgehalten.

Der Atlas kann sich horizontal um den Dens Axis drehen und somit besteht zwischen Atlas und Axis die größte Drehfähigkeit des Kopfes. Wenn wir den Kopf nach rechts oder links drehen, wird der Kopf um den Dens Axis bewegt. Kommt es zu funktionellen Störungen zwischen Atlas, Axis und Dens Axis, so sind damit einhergehend auch Drehstörungen des Kopfes nach rechts und links vorhanden.

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2 Hello “Halo” ...

Als der Unfall geschah, war ich mit dem Firmen-Pkw gerade auf dem Weg vom Hautarzt zu meiner Arbeitsstätte. Bei diesem Facharzt erhielt ich etwa dreimal wöchentlich eine Balneo-Photo-Therapie, um meine starke Neurodermitis zu behandeln.

Wie und was genau passierte, Uhrzeiten oder ob ich an diesem Morgen noch Besorgungen im Firmenauftrag zu erledigen hatte, kann ich beim besten Willen nicht erinnern.
Die Polizei spekuliert, dass ich ohne Fremdeinwirkung von einer starken Windböe von der Landstraße gedrängt wurde. Dann muss ich frontal gegen einen Straßenbaum geprallt sein, ein zweiter erwischte mich seitlich. Nach einem Überschlag einen 2-Meter-Abhang hinunter sei der Wagen vollkommen zerstört zum Stehen gekommen. Zu diesem Zeitpunkt muss ich schon bewusstlos gewesen sein.
Jemand hat den Unfall beobachtet und anonym die Polizei verständigt. Glücklicherweise hat niemand versucht, mich aus dem Fahrzeug zu holen, denn das wäre mit meinem Genick-Bruch wohl das Todesurteil gewesen. Was sonst noch alles hätte passieren können, bedenke ich lieber nicht.
Nach einem Großaufgebot an Rettungswagen, Feuerwehr und Polizei (mit 2stündiger Straßensperre) wurde ich per Hubschrauber in die Chirurgische Ambulanz der Universitätsklinik Düsseldorf geflogen. Auf der neurochirurgischen Intensivstation konnte man mich nach 2 Tagen Beratung (ich war während dieser Zeit ruhiggestellt) fachgerecht behandeln.

Zu meinem Glück kann ich mich an meinen Unfall (incl. zwei Tage davor) überhaupt nicht mehr und an die Zeit im Krankenhaus nur noch sehr ausschnittweise erinnern.
Wie man mir später erzählte, hat mir meine Familie jedoch selbst während meines künstlichen Komas schon immer und immer wieder erklärt, dass ich einen Autounfall hatte, bei dem ich unter anderem am Nacken verletzt wurde und deshalb ein Gestell tragen muss. Obwohl oder gerade weil ich keine Details wusste, habe ich den Zustand von Anfang an so akzeptiert. Meine einzige Sorge galt meinem vollkommen zerstörten Auto, wegen dem ja nun einiges zu erledigen sein musste ...
Doch auch diese Gedanken waren im Medikamentenrausch schnell wieder verflogen.

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2.1 Was ist ein Halo-Fixateur?

Es handelt sich um ein orthopädisches Gestell, das aus einer Stahlstangen-Konstruktion zur Fixierung des Kopfes und einer Kunststoff-Weste zur Befestigung besteht. Eingesetzt wird ein Halo-Fixateur (in meinem Fall eine AirFlo von Bremer) zur Ruhigstellung des Kopfes für etwa 15 Wochen bei Verletzungen der Halswirbelsäule. Dazu wird der Kopfring des Gestells mit vier Schrauben an den Schädel angedrückt.

Das hört sich schlimmer an, als es ist: Die Befestigungsstellen am Kopf sind genauestens ausgetüftelt und schmerzunempfindlich! Es führen keine Nerven, Muskeln oder sonstigen Gefäße durch dieses Gebiet. Die Schrauben reichen nur bis zur Schädeldecke und gehen weder in den Knochen hinein noch hindurch! Das bedeutet, der Patient hat in der Regel keine Schmerzen durch das Gestell! Es besteht also kein Grund, sich zu fürchten oder zu ekeln. Im Gegenteil, der Patient braucht nun mehr denn je positiven Zuspruch und vertraute Menschen um sich, Ablehnung oder Unsicherheit sind absolut fehl am Platze.

Da die Schrauben-Löcher oft durch Wundflüssigkeit oder Eiter verkleben und es leicht zu Entzündungen kommen kann, sollten diese Stellen regelmäßig gereinigt werden. Dazu hat sich gut ein sauberer Pinsel und Hautöl bzw. Antiseptikum wie Betaisodona bewährt.

Damit der ordnungsgemäße Sitz des Gestells gewährleistet bleibt, müssen regelmäßig (etwa zwei bis drei Mal) die Schrauben vom Arzt nachgezogen werden. Dies geschieht mit einem Drehmoment-Schlüssel, mit dem die Schrauben nicht überdreht werden können. Unabhängig davon sollte man für Notfälle stets das zugehörige Spezial-Werkzeug bei sich haben.

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2.2 Fragen über Fragen …

Natürlich treten nach einem solchen Unfall viele Fragen und Unsicherheiten auf; wer kennt sich schon mit einem Halo-Fixateur aus? Diese Fragen sollte man sich von einer kompetenten Person beantworten lassen, das beruhigt sehr. Und schön weiterfragen, bis man alles verstanden hat!

Ach ja, durch den veränderten Körperschwerpunkt sind für den Patienten nun Gleichgewichtsübungen sehr wichtig. Dazu einfach auf einem Bein stehen üben – auch mit geschlossenen Augen. Eine Hilfsperson sollte dabei das Umfallen verhindern.

Und keine Angst: Auch wenn man ein gebrochenes Genick hat, ist man nicht aus Glas! Solange man sich an ein paar Grundregeln hält und alles behutsam angeht und auf die innere Stimme hört, kann nicht viel passieren. Und wenn man auch die Mitmenschen darüber informiert, dass man z.B. von den Schrauben normalerweise keine Schmerzen hat oder Schüttelbewegungen unangenehm sind, werden sie sehr viel weniger Berührungsängste haben. Denn meist sind andere sehr viel besorgter und ängstlicher als man selber, denn schließlich können sie ja nicht spüren, dass man keine Schmerzen hat. Aber auch das lässt sich aufklären.

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2.3 Kleider-Ordnung?

Durch die Stangen des Fixateurs ist es leider fast unmöglich normale Oberteile zu tragen. Damit man während der Zeit mit dem Fixateur nicht ständig im Pyjama-Oberteil herumlaufen muss, sondern trotzdem etwas ordentlich, ja sogar festlich aussehen kann, haben wir einen Prototypen entwickelt, der durch Einschnitte und Klettverschlüsse auch um die Stangen herum befestigt werden kann. So fühlt man sich direkt bedeutend wohler und kann unbesorgt auch unter Menschen gehen.

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3 Pflege

Obwohl ich gerade auf der Intensiv-Station sehr fürsorglich und großzügig umsorgt wurde, bin ich ausgesprochen dankbar für die ausdauernde Pflege durch meine Familie. Selbst während meiner tagelangen Bewusstlosigkeit war von früh morgens bis spät abends immer jemand bei mir und hat das Pflegepersonal tatkräftig unterstützt. So fand ich mich stets in gewohnter Gesellschaft wieder und Gedanken wie Einsamkeit, Unsicherheit oder Angst kamen gar nicht erst auf. Vielmehr fühlte ich mich stets beschützt und liebevoll umsorgt.

Meine "familiären Pfleger" hatten immer alle Hände voll zu tun mit mir: Angefangen bei so ganz alltäglichen Dingen wie Anziehen, Waschen und Zähneputzen über den Gang zur Toilette bis hin zum Essen (wegen Schluck-Schwierigkeiten immer etwas zu trinken bereit halten) brauchte ich bei fast allen Tätigkeiten Hilfe.

Zu Hause wurden diese Dinge für mich zwar nach und nach immer leichter eigenständig zu erledigen, dennoch verbrachten wir jeden Abend mindestens zwei Stunden unter anderem mit Verband wechseln und Körper-Pflege. Da an Duschen ja nur bis zum Bauchnabel zu denken war (das Futter der Weste darf nicht nass werden!), muss der Oberkörper zumindest regelmäßig mit einem leicht feuchten Waschlappen gereinigt werden. Zum Abwaschen der Vorderseite legt man sich flach auf den Rücken ins Bett, ein Helfer kann nun den Gurt der Weste öffnen (ausschließlich in Rückenlage, dann nicht bewegen!), vorsichtig darunter wischen und den Gurt wieder schließen. Bei der Rückenpartie wird diese Wohltat schon etwas schwieriger, da hier weniger Bewegungsspielraum ist. Ich habe mich also bäuchlings über einen Sitzball gelegt, sodass gerade eben ein flaches Handtuch unter die Weste passte. 

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3.1 Gewusst wie !

Um Verschmutzungen sowie Geruchsbildung zu verhindern, haben wir das standardmäßige Futter der Weste mit dünnen, auswechselbaren Baumwolltüchern unterlegt. Das war zudem nicht nur sehr angenehm an den heißen Sommertagen, sondern auch sehr hilfreich bei meiner Neurodermitis. Vor dem Unfall litt ich sehr stark unter dieser bei mir besonders stressabhängigen Hautkrankheit. So war mein Gesicht, die Kopfhaut und beinahe schon der gesamte Oberkörper von schuppenden, juckenden und trockenen Entzündungen übersäht.

Wie durch ein Wunder, oder auch durch den Schreck des Unfalls oder den beinahe luftdichten Verschluss durch die Tücher oder auch durch die Ruhe, klangen die Entzündungen gerade unter der Weste, wo ja nun nicht mehr gepflegt werden konnte, immer mehr ab. Um keinen neuen Schub zu provozieren, sollten bekannte Allergene tunlichst gemieden werden. Zudem muss die Haut immer aufmerksam beobachtet werden, ob es nun eventuell neue Allergien gibt.

Ich bin zum Glück bisher weitgehend beschwerdefrei und ich hoffe, dass dies auch so bleiben wird. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet die regelmäßige Pflege der Kopfhaut. Während man noch den Fixateur trägt ist die uneingeschränkte Erreichbarkeit der Kopfhaut ja schon durch die Stangen beeinträchtigt. Gerade bei Neurodermitikern kann es dann schneller als man denkt zu hartnäckigen, mehrere Millimeter starken Kopfschuppen kommen, unter denen sich unangenehme Entzündungen bilden können (Auslöser für neue Schübe auf diversen Körperstellen). Um diesen Zustand wieder abzustellen, ist medikamentöse Behandlung und intensivste Kopfpflege notwendig. Mein Vater hat täglich mehrere Stunden damit zugebracht, meine zuvor mit Fett eingeweichte Kopfhaut mehrfach mit Spezial-Cremes zu waschen und anschließend mühsam Stück für Stück der steinharten "Kopfplatten" abzutragen. Zu guter Letzt haben wir es aber nach etwa zwei Wochen Kampf und 20 Tagen Antibiotika geschafft.

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3.2 Haare waschen -- wie geht das überhaupt mit einem Halo-Fixateur?

Zunächst war das zwar sehr anstrengend aber mit etwas Übung hat es immer besser geklappt. Zunächst einmal muss der Hals und die Weste mit Handtüchern und eventuell aufgeschnittenen Plastiktüten gut abgedichtet werden (Das Fell darf nicht nass werden!). Dann habe ich mich auf einem Kissen vor die Badewanne gekniet und vorsichtig nach vorne auf die Unterarme bzw. Hände gestützt. Mit einem milden Shampoo kann ein Helfer nun den Kopf waschen. Bitte darauf achten, dass nicht zu viel massiert wird, um die Schraubenlöcher nicht unnötig zu beanspruchen. Anschließend die Haare abwaschen, vorsichtig abtupfen und frisieren. Geschafft!

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4 Positiv denken!

Auch wenn manche Zeitgenossen anderer Meinung sind, halte ich mich für einen recht positiv denkenden Menschen. Vielleicht habe ich dieser Eigenschaft ja auch die trotz meiner Verletzungen stets gute Laune zu verdanken. Der Unfall ist nun einmal passiert und da hilft es wenig, in Selbstmitleid zu zerfließen (Mitgefühl haben schon genügend andere Menschen) oder sich über mögliche und unmögliche "Wenns" den Kopf zu zerbrechen (was am Anfang noch gar nicht so einfach ist). Selbstverständlich macht man sich ab und an auch mal Sorgen (wenn man wieder einigermaßen klar denken kann): Werde ich wieder ganz gesund, wird sich mein Kopf wieder richtig bewegen lassen, usw? Aber das ist wohl ganz normal. Jedoch versuche ich nie zu vergessen, dass ich sehr froh bin, überhaupt noch zu leben!

Ganz praktisch betrachtet kann es auch einige Vorteile haben, einen Halo-Fixateur zu tragen. Noch nie hatte ich so viel Aufmerksamkeit, sei es in der Familie, im Freundeskreis und in der Nachbarschaft oder auch bei Arbeitskollegen und Kunden. Alle sind besorgt und sehr hilfsbereit, aber auch begeistert, wie gut ich die Situation meistere. Auch das gibt neuen Antrieb.

Natürlich gibt es auch Menschen, die solch ein Gestell nicht so unbefangen ansehen können. Das lässt sich jedoch oft auf Nicht-Wissen zurückführen (die Schrauben gehen NICHT durch das Gehirn und schmerzen auch nicht). Der Anblick ist oft jedoch nur Gewöhnungssache. Wie auch immer, man sollte sich wegen eines Fixateurs nicht verstecken oder schämen. Bewegung und zwischenmenschliche Kontakte fördern die Heilung und bringen einen auf andere Gedanken!

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5 Physiotherapie

Umfangreiche Hilfsutensilien, wie Krücken bei Beinbrüchen, benötigt man nach einem Genickbruch zum Glück nicht. Dennoch gibt es ein Hilfsmittel, auf das ich auf keinen Fall verzichten möchte: Ohne mein elektrisch verstellbares Krankenbett hätte ich mich mit meinen geschwächten Muskeln niemals eigenständig hinlegen oder wieder aufstehen können.

Durch das Tragen eines Halo-Fixateurs mit der zugehörigen Weste ist auch die allgemeine Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Deshalb ist es besonders wichtig, sich von Anfang an soviel wie möglich zu bewegen und das noch weiter auszubauen.

Spazieren gehen ist dabei ein guter Anfang. Ganz wichtig ist jedoch, immer eine Begleitperson bei sich zu haben, die physischen und auch psychischen Halt gibt. Da man ja nicht so gut sieht, wo man hintritt, benötigt man jemanden, der für einen sieht und vor Stürzen schützt. Da ein Sturz große Probleme mit sich bringen würde, ist es ratsam, dies auch im Haushalt möglichst auszuschließen. Außerdem muss man sich als Träger eines Halo-Fixateurs nicht schämen oder verstecken. Wer sich mutig in Gesellschaft begibt, wird ganz schnell merken, dass dies besser klappt, als man dachte.

Auch wenn man zunächst klein anfängt, kann man schon mit Gehen seinen Kreislauf wieder anregen. Den Kreislauf kontinuierlich weiter aufzubauen ist sehr wichtig, um dann anschließend unter Berücksichtigung möglicher anderer Verletzungen sich und seine Muskeln bestmöglich auf die normalen Bewegungsabläufe vorzubereiten. So habe ich z.B. mit Ergo-Trainer und Stepper meine Kondition und Beinmuskeln Stück für Stück gestärkt. Da zudem mein Schulterblatt zertrümmert war, musste ich nach Ausheilung mit Hilfe meines Physiotherapeuten zunächst die Beweglichkeit der Schulter und dann die Kraft des Armes wieder herstellen.

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5.1 Ziel all dieser Anstrengungen ...

... ist es, sich optimal auf das Leben ohne Gestell vorzubereiten. Dazu kann man schon während der Tragezeit des Fixateurs damit beginnen, die Nacken-Muskeln wieder zu aktivieren. Gerade diese Übungen sollten nur unter Anleitung des Therapeuten durchgeführt werden und auch nur dann, wenn man davon keine Schmerzen durch die Schrauben bekommt. Eine für jeden sehr einfach selbst durchzuführende und doch wirkungsvolle Maßnahme ist eine gerade Körperhaltung, auf die man stets achten sollte. So werden die Rückenmuskeln, die ja im Nacken beginnen, gedehnt und bereits gestärkt.

Nur Mut: Fast alle Übungen sind zwar anstrengend und mit Sicherheit bekommt man auch den ein oder anderen Muskelschmerz, aber von nichts kommt nichts und Sie möchten sich doch später wieder möglichst normal bewegen können!

Mit etwas Übung konnte ich bald auch so alltägliche Dinge wie "in ein Auto einsteigen" wieder hinbekommen. Bei der Fahrt muss dann allerdings sehr auf Bodenunebenheiten geachtet werden, da Erschütterungen Schmerzen verursachen.

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6 ... and goodbye!

Nach 15 Wochen mit Halo-Fixateur rückte der Tag der Abnahme immer näher und ich wusste nicht, ob ich ängstlich vor dem Unbekannten sein oder mich freuen sollte, das Gestell dann endlich los zu werden. Ich entschied mich für eine gute Mischung aus beidem.

Der mechanische Vorgang an sich war dann ganz einfach und etwa mit Reifenwechseln zu vergleichen. Ein Helfer stütze während der ganzen Zeit meinen Kopf, obwohl "Sie brauchen sich überhaupt keine Sorgen machen, dass Sie Ihren Kopf nicht halten können. Die Natur macht das schon von ganz alleine." Zunächst wurden dann die vier langen Stangen entfernt. Anschließend "pellte" man mich aus der schon fast liebgewonnenen Weste (kalt!). Und jetzt wurde es ernst: Als erstes war die Schraube vorne links an der Reihe, dann hinten rechts. Ebenso über Kreuz folgten dann die beiden anderen Schrauben. Das Losdrehen war unangenehm, aber die Gewissheit, dass ich sie danach los sei, ließ mich das gut ertragen.

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6.1 Das Nächste bitte!

Jetzt wurde mir von einem Mitarbeiter der orthopädischen Werkstatt der Uni-Klinik ein "Teufel-Gestell" angepasst. Dabei handelt es sich um ein Gestell mit Nacken- und Kinnstütze, die an einem Steg auf der Brust gehalten werden. Befestigt wird das Ganze mit Klettbändern auf dem Rücken. Und ab nun war alles anders: Während ich mich so gut an den Halo-Fixateur gewöhnt hatte, mich annähernd normal bewegen konnte und fast gemütlich geschlafen habe, war das Teufel-Gestell fast "teuflisch" ungemütlich und schlafen war damit überhaupt nicht machbar. Deshalb habe ich für nachts eine Halskrawatte bekommen.

Dank meiner vorherigen intensiven Übungen war meine Halsmuskulatur schon stark genug dafür. Um den Kopf aber den ganzen Tag aufrecht halten zu können, musste jetzt mit Hilfe des Physiotherapeuten noch ordentlich gearbeitet werden.

Denn alleine das Halten verursacht im ganzen Rücken Muskelschmerzen und auch Verspannungen werden noch lange Zeit Alltag sein. Hervorragende Linderung schafft hier jedesmal eine professionelle Massage durch den Physiotherapeuten. Aber auch die Beweglichkeit des Kopfes muss wieder trainiert werden: Dazu den Kopf langsam nach vorne und hinten neigen, zu den Seiten kippen und nach rechts und links drehen. Wenn man das Kinn nach hinten schiebt, dehnt man zusätzlich die oberen Nackenmuskeln. Aber Vorsicht: Alle Bewegungen behutsam durchführen und nichts erzwingen. Sie werden bald merken, dass es immer ein Stück besser geht.

Das ist auch dringend notwendig, denn leider sind nun alle Bewegungen viel beschwerlicher, als mit Fixateur. Jetzt muss ja auch noch der Kopf gehalten werden. Aufgrund der veränderten Gewichtsverhältnisse war mir zudem ununterbrochen schwindelig und mir fehlte oft die Orientierung. Aber auch das geht vorbei ...

Seit dem Tag der Abnahme des Fixateurs rebellierte meine Kopfhaut wieder und wehrte sich gegen die Veränderung mit intensiver Schuppenbildung. Aber an deren Bekämpfung sind wir ja inzwischen gewöhnt und in etwa zwei Wochen hatten wir die Situation wieder normalisiert.

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7 Und nun? Reha!

7.1 Kur-Schatten und Reha-Arbeit ...
Auch wenn es nicht jeder gleich einsieht, gibt es doch einige Unterschiede zwischen einer KUR und einer REHA.
Eine Kur dient hauptsächlich der Vorbeugung von Erkrankungen und der Erholung. Wie manch böse Zungen sagen, ist man unter anderem damit beschäftigt, (z.B. mit dem nicht seltenen "Kur-Schatten") von Park-Bank zu Park-Bank zu wandern.
Dagegen hat eine Rehabilitation zum Ziel, die Gesundheit, Beweglichkeit und auch Arbeitsfähigkeit eines Patienten wieder herzustellen. Das kann z.B. bei chronischen oder akuten Krankheiten, Leiden durch ungesunde Lebensweise oder nach Unfällen (wie bei mir) notwendig sein und ist mit Arbeit verbunden.
So bekam ich von der Uni-Klinik eine 4wöchige Reha verordnet und von meinem Kostenträger bewilligt, bei der ich die Defizite durch meinen schweren Verkehrsunfall wieder aufarbeiten und anschließend bestmöglich wieder arbeitsfähig sein sollte.

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7.2 Frische See-Luft und Muskelkater
Nachdem der Sozialdienst der Uni-Klinik mir eine Einrichtung empfohlen hat, und ich mich per Internet und Prospekt selbst noch informiert habe, entschied ich mich für das Nordsee Reha-Klinikum II in St. Peter-Ording. Hier ist man orthopädisch ausgerichtet (Hals-Wirbel), das Haus hat eine psychologische Abteilung (Unfall-Folgen) und das Reiz-Klima der Seeluft wirkte sich positiv auf meine Neurodermitis aus. Das Haus mit 239 freundlichen Einzelzimmern ist erst 1995 eröffnet worden und modern sowie auf dem neuesten Stand eingerichtet.
Da diese Klinik immer gut belegt ist, hatte ich noch über einen Monat Zeit, um die Anreise, meinen Aufenthalt und vor allem den Inhalt meiner Koffer genauestens zu planen. Was auf keinen Fall vergessen werden darf, teilte man mir noch mit.
Nun war ich aufgrund meiner Verletzungen noch nicht fähig, zur Reha-Klinik mit der DB anzureisen. Freundlicherweise haben mich also meine Eltern mit dem Pkw gebracht. Nach dem netten Empfang an der Rezeption konnte ich mein Zimmer beziehen und hatte direkt Antrittsgespräche im Schwesternzimmer und beim Stationsarzt zu führen. Nach dem ersten Abendessen konnte ich dann endlich erschöpft schlafen gehen.

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7.3 Mit Konzept ...
In der Nordsee Reha-Klinik II beruhen alle Anwendungen auf dem Brügger-Konzept und arbeiten Hand in Hand. Der Mensch wird dabei immer als Ganzes gesehen. Unbewusste, neurologische Blockaden im Bewegungssystem, Störfaktoren und erlernte Schonhaltungen werden möglichst beseitigt und der Patient zu einer dauerhaft gesundheitsfördernden Körperhaltung angeleitet.
7.31 Schwerpunkt Krankengymnastik:
Um die Beweglichkeit meines Kopfes wieder herzustellen, hatte ich hier natürlich am meisten zu tun. Mit regelmäßigen Lockerungsübungen, Bewegungen auch mit Gegendruck (Antagonisten-Hemmung) und einigem mehr hat mein Therapeut Jan Kaufmann mich Stück für Stück weiter gebracht. Auch Übungen zum allgemeinen Muskelaufbau fehlten nicht in meinem täglichen Pensum. Gemäß Brügger-Konzept wurde nach jeder Übung getestet, wie sich die Beweglichkeit verändert hat. Zur positiven Entwicklung hat auch die Muskellockerung mit der "heißen Rolle" beigetragen. Dabei werden die betroffenen Regionen mit einem fast kochend-heißen Handtuch betupft. Erstaunlicherweise konnte ich nach einer solchen Behandlung meiner Daumenballen den Kopf wieder ein gutes Stück weiter bewegen.
Um mich wieder an alltägliche Situationen zu gewöhnen, haben wir zusammen auch ein "Rempel- und Falltraining" absolviert. Hier habe ich gelernt, dass ich viel belastbarer und robuster bin, als ich dachte und keine Angst vor "Ausrutschern" haben muss, aber auch insgesamt noch viel schlapper bin, als angenommen.
Neben dieser Einzeltherapie stand auch Gruppengymnastik an Land und im Wasser an. Bei der Rückenschule lernte ich einiges über wirbelfreundliche Körperhaltung und Bewegungen - angefangen bei aufrechter Grundhaltung über Gang, Stand und aufstehen bis hin zu Fenster putzen und bügeln.
7.32 Bäderabteilung:
Auch  in dieser Abteilung hat man sich wieder sehr viel Mühe mit mir gegeben. Die Anwendungen hier dienten der Muskellockerung im zunächst steinhart verspannten Schulter- und Nackenbereich.
Auf Anordnung des Arztes hat mein Masseur Alexander Springmann es also erst einmal mit Fußreflexzonen-Massage versucht (jedem Körperteil ist ein Bereich an den Füßen zugeordnet, durch dessen Bearbeitung sich die entsprechende Region beeinflussen lässt). Ziemlich schnell hat sich jedoch herausgestellt, dass an meinen Füßen keine auffälligen Stellen zu finden sind, ja ich dort noch nicht einmal Schmerzen bei festerem Druck verspüre. Beinahe frustriert hat er mich an seine Kollegin Maren Wesch weiterverwiesen, die durch klassisches Kneten, Streichen und Drücken bei einem netten Schnack meine Schultern und den Rücken von Verspannungen und Muskelkater befreit hat.
Ebenfalls zur Entspannung und somit Wohlbefinden haben Fango-Packung und Meerwasserperlbad beigetragen.
7.33 Psychologie:
Gaga? Oder der ganz normale Wahnsinn ...
Zunächst war ich etwas skeptisch, was ich hier eigentlich sollte. Schließlich konnte ich mich zum Glück nicht an den Unfall erinnern und wollte das auch nicht ändern. Aber meine Sorge war unbegründet, meinen Wunsch hat die Therapeutin Kornelia Knauß sofort akzeptiert. Statt dessen haben wir daran gearbeitet, wie ich jetzt nach dem Unfall mein Leben wieder im Griff haben kann und Stress vermeide bzw. damit umgehe.
Sehr hilfreich war dazu auch das Training der "Progressiven Muskelentspannung".
7.34 Ärzte:
All diese für mich sehr effektiven Anwendungen wurden von den Klinik-Ärzten ausgearbeitet und angeordnet. Wünsche nach Änderung oder Ergänzung des Therapieplans konnten bei der wöchentlichen Visite (ein Oberarzt mit Stationsarzt) besprochen werden. In dringenden Fällen steht auch der Stationsarzt jederzeit zur Verfügung.
Besonders amüsant war für mich die Untersuchung bei Dr. Joachim Schuchert, Oberarzt für Orthopädie. Er war ausgesprochen begeistert von meiner "hochinteressanten Fraktur, die man nur selten zu sehen bekommt" und hat die Röntgen- und CT-Aufnahmen direkt im Kollegenkreis herumgezeigt. Prompt sprach mich ab nun fast jeder auf meine Heilungserfolge an.
7.35 Freizeit:
Über Langeweile konnte ich mich in der Klinik nicht beklagen. Wenn gerade keine Anwendungen anstanden, habe ich z.B. beim Schwimmen, auf dem Fahrrad-Ergometer oder in der "Mucki-Bude" (Trainings-Therapie) meine Kondition und Kraft gestärkt. Beim QiGong lernte ich Bewegung, Atmung und Entspannung einzusetzen. Oder ich war aktiv im Kreativ-Bereich, z.B. beim Malen und Zeichnen. Natürlich habe ich auch ausgiebig das gute Klima genossen und mit lieben Menschen aus der Klinik kleine Ausflüge zum Deich, Strand oder in den Ort gemacht.

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7.4 Das war's dann wohl ...
Auch diese schöne Zeit war irgendwann (bei mir nach 6 Wochen) einmal zu Ende und ich musste aus dieser Klinik, in der ich mich inzwischen schon fast heimisch fühlte, wieder abreisen.
Ich bin sehr froh, dass ich diese Reha machen konnte, denn sie hat viel Gutes bei mir bewirkt. Die veränderte Umgebung und die vielen lieben Menschen haben mich wieder ins Leben zurückgeholt. Vorher war ich unsicher und schüchtern, auch durch die lange Zeit nach dem Unfall, in der ich selbständig fast nichts tun konnte. Zurückgekehrt bin ich als neuer Mensch, selbstbewusst und voller Energie. Auch an meiner körperlichen Verfassung hat sich viel geändert, den Kopf kann ich viel besser bewegen. Allerdings ist daran noch viel zu arbeiten. In nur sechs Wochen kann man nach einer so schwerwiegenden Verletzung nicht plötzlich perfekt wieder geheilt sein. Schließlich dauert die Wiederherstellung eines Muskels schon doppelt so lange, wie er ruhiggestellt war.

Aber auch das werde ich noch schaffen und mich gerne an die Zeit im Nordsee Reha-Klinikum II in St. Peter-Ording zurückerinnern!
Danke für alles!

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8 Folgen

Wenn der Fixateur gerade erst abgenommen wurde, ist es zunächst noch schwer zu sagen, ob Schäden zurückbleiben werden. Schließlich kann man seinen Kopf anfangs noch so gut wie gar nicht bewegen, da die Muskeln und Sehnen sich durch die lange Ruhigstellung stark verkürzt haben. Nur durch tägliches Training macht man langsam Fortschritte. Sie werden dabei immer ein Ziehen in den verkürzten Halsmuskeln spüren und dürfen nur vorsichtig vorgehen und nichts erzwingen.

Ich habe nach etwa einem Monat eine Grenze beim Heben des Kopfes festgestellt. Das Gefühl dort ist ganz anders, als das Muskelziehen. Ich habe dann fast den Eindruck, die Wirbel aufeinander zu spüren. Das soll aber nichts ungewöhnliches sein. Durch die Verletzung hat sich Narbengewebe auch zwischen den Wirbeln gebildet und dieses zähe Gewebe kann dann eine Art Bremse sein. Wie äußerliche Narben auch, wird sich dieses Narbengewebe aber mit der Zeit abbauen. Und so kann es sein, dass die Beweglichkeit unbemerkt immer besser wird und ich bis nächstes Jahr meinen Kopf wieder vollkommen normal bewegen kann.

Etwa ein Jahr nach dem Unfall kann ich sagen, dass in der Tat die Beweglichkeit des Kopfes immer besser wird. Es dauert nur soo lange und ich muss wirklich hart und intensiv daran arbeiten.

Zum Glück werde ich dabei tatkräftig von meinen Krankengymnasten und Masseuren unterstützt. Z.B. "wackeln" sie meine verklebten Wirbel wieder frei, dehnen meine verkürzten Muskeln und massieren meine zwangsläufigen Verspannungen wieder weg.

Allerdings ist immer noch nicht abzusehen, ob sich alles wieder normalisieren wird. Da ich hypermobil (extrem gut beweglich) bin, habe ich noch einen besonders langen Weg bis zu meiner "normalen" Beweglichkeit vor mir.

Auch weitere Unfall-Folgen machen mir noch das Leben schwer. So war ich zeitweise stark doppelsichtig - inzwischen statt dessen "nur" noch besonders kurzsichtig. Meine Augen trainiere ich seit einiger Zeit, um meine alte Sehkraft wieder herzustellen. Auch das strukturierte Denken und Behalten fällt mir noch sehr schwer. Auch daran arbeite ich - jetzt kann ich mir vorstellen, wie hilflos sich manche alten Menschen fühlen müssen.

Ich bin gespannt, was sich noch alles tun wird!

Jetzt absolviere ich gerade die berufliche Wiedereingliederung. Die Arbeitszeit wird dabei kontinuierlich weiter gesteigert, bis die einstige Stundenzahl wieder erreicht werden kann.

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9 Nicht vergessen!

Leider bringt solch ein schwerer Unfall nicht nur körperliche Schäden und Schmerzen mit sich (was ja nun schon mehr als genug wäre), sondern oft auch jede Menge Bürokratie und Ärger. Daraus kann ein regelrechter "Kampf" entstehen.
Also viel Glück und langen Atem!

9.1 Krankenkasse
Um spätere Komplikationen zu vermeiden, sollte man den Unfall umgehend bei der Krankenkasse melden und sich arbeitsunfähig schreiben lassen. Nur so kann man auch Kranken- bzw. Verletztengeld erhalten.
Die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit muss dann monatlich vom behandelnden Arzt erneuert werden. Die Vordrucke dazu versendet die Krankenkasse automatisch an den Versicherten.

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9.2 Berichte
Lassen Sie sich von jeder Untersuchung/ Behandlung einen Bericht ausstellen. Meist wird das sowieso von selbst erledigt.
Diese Berichte benötigen Sie eventuell später bei Kranken- und Unfallversicherung oder sonstigen Stellen. Auch für mit- bzw. weiterbehandelnde Ärzte beinhalten diese Berichte wichtige Informationen.

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9.3 Kfz
Sollte Ihr Fahrzeug bei dem Unfall einen Totalschaden erlitten haben, vergessen Sie nicht, es so schnell wie möglich abzumelden. So sparen Sie unnötige weitere Ausgaben für Kfz-Versicherung und Steuern. Desweiteren müssen Sie sich wahrscheinlich noch um die Entsorgung des "Restmülls" bemühen.

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9.4 Berufsgenossenschaft
Da mein Unfall auf dem Weg zur Arbeitsstätte geschah, wurde er direkt als Wegeunfall gewertet und fiel somit in den Aufgabenbereich der Berufsgenossenschaft.
Meine Erfahrungen mit der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Niederlassung Bergisch-Gladbach) waren anfangs sehr positiv (leider änderte sich dies später).

Der zuständige Sachbearbeiter Herr Wegel zeigte sich nach einem Hausbesuch sehr betroffen, war kompetenter Ansprechpartner, ergriff Eigeninitiative und übernahm entstandene Kosten sehr kulant. So ersetzte man mir z.B. die zerstörte Brille, meine Eltern bekamen die täglichen Fahrtkosten zur Uni-Klinik erstattet und ich erhielt eine Pauschale für Kleider- und Wäscheverschleiß durch Tragen des externen Fixateurs.

Dies änderte sich, als der auch kundenfreundlich denkende (das scheint wohl eher die Ausnahme zu sein) Sachbearbeiter einen Pflegegeldantrag für mich einreichte und kurz darauf in eine andere Abteilung versetzt wurde.Der neue Sachbearbeiter Herr Bergmann und sein Vorgesetzter lehnten dann ACHT Monate nach dem Unfall die Übernahme sämtlicher Kosten ab.

Begründung (Zitat): "... Zum Unfallzeitpunkt hatten Sie Ihren normalerweise zu Ihrem Arbeitgeber zurückgelegten Weg noch nicht erreicht. Insofern haben Sie sich auf einem unversicherten Abweg befunden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann Unfallversicherungsschutz auf dem Wege von einem anderen Ort als dem der Wohnung (dritter Ort) zum Ort der Tätigkeit nur dann bestehen, wenn der Aufenthalt an dem dritten Ort mindestens zwei Stunden andauerte. Dies ist nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall. ..."

Leider unberücksichtigt blieb, dass der Besuch beim Hautarzt wegen regelmäßiger Neurodermitis-Behandlung in direktem Zusammenhang mit der Ausübung meines Berufes steht (äußeres Erscheinungsbild im Kundenkontakt, Arbeitsfähigkeit ohne unerträgliche Juck-Attacken). Ebenfalls könnte es gut möglich sein, dass ich im Auftrag meines Arbeitgebers noch Besorgungen gemacht habe.

Mit Unterstützung meines Anwalts haben wir Widerspruch gegen den Ablehnungs-Bescheid eingereicht. Die Sache läuft noch ...

Warum ich die Entscheidung der BG nicht einfach akzeptiere?
Zunächst einmal ist die anscheinend willkürliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht mit dem Gesetzestext des SGB in Einklang zu bringen. Dann ist der Sachverhalt in meinem Fall wohl auch nicht umfassend betrachtet worden. Wenn ich den Bescheid so hinnehme, werde ich z.B. auf Pflegegeld, Verletztengeld, Krankentransport- und Fahrtkosten- sowie Rezeptkostenübernahme verzichten. Am wichtigsten ist jedoch, dass mir dann keine Invaliden-Rente zusteht.

Da stellt sich doch die Frage, wer eigentlich die Arbeitsplätze bei der Berufsgenossenschaft finanziert!?

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9.5 Unfallversicherung
Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich sehr froh bin, rechtzeitig eine private Unfallversicherung abgeschlossen zu haben. Zum einen zahlt man ja regelmäßig seine Beiträge und hat somit auch ein Recht auf Leistung. Zum anderen bringt solch ein Unfall auch einige Kosten mit sich und somit kann man diese finanzielle Unterstützung gut gebrauchen.Auch hier müssen Sie sich jedoch zunächst der Bürokratie hingeben und nachdem Sie den Unfall schnellstmöglich gemeldet haben einige Unfallberichte ausfüllen.Wenn Sie Glück haben, wird Ihr Unfall dann auch als versicherter Schaden anerkannt. In meinem Fall bedurfte es erst einiger "Aufklärungsarbeit", da ein mehrfacher Wirbelbruch für einige Leistungen erst nicht schwerwiegend genug erschein. Wie sich dann aber herausstellte, reichte die Hirnquetschung zur Anerkennung aus.
Ab nun konnte ich mich über Krankenhaustagegeld mit verbessertem Genesungsgeld freuen. Etwas davon hat dann die Krankenkasse ja für sich beansprucht.
Nach 2 Faxen und einem Telefonat erhielt ich dann auch für die 6wöchige Reha eine Kurbeihilfe. Leider hatte man zunächst meinen Antrag nicht aufmerksam gelesen und ihn wegen einer zu kurzen Dauer von angeblich unter 3 Wochen abgelehnt.

Da ich auch bei Invalidität versichert bin, konnte ich recht schnell die einmalige Sofortleistung von 5% der Versicherungssumme auf meinem Konto verbuchen.

Die Abschlussuntersuchungen zur Feststellung der Höhe der Invaliditätsleistung müssen i.d.R. vor Ablauf von 15 Monaten nach dem Unfall erfolgen. Daher versäumen Sie diese Frist nicht, da Ihnen sonst keine Leistungen zustehen.
Meine Untersuchungen werden in Kürze stattfinden.

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10 In Kürze ...

Hinweis:
Alle Informationen in dieser Broschüre beruhen auf eigenen Erfahrungen und sollen nur als Empfehlungen gelten.
Da bei jedem Patienten die Art der Verletzung unterschiedlich sein kann, sollten Sie sich in erster Linie unbedingt an die Verordnungen Ihres Arztes halten.

10.1 Halo-Fixateur
Chirurgische Apparatur zur Fixierung der Nacken-Wirbel, z.B. nach Fraktur.

10.2 Stifte
Zur Stabilisierung ist der Fixateur mit vier Stiften an die Schädelplatte gedrückt (i.d.R. keine Schmerzen während der Befestigungsdauer).
Pflege: Regelmäßiges Säubern mit Öl oder Antiseptikum (z.B. Betaisodona) mit Hilfe eines Pinsels um Eiter und Entzündungen zu vermeiden.
Die Stifte müssen vom Arzt regelmäßig nachgezogen werden, um den korrekten Sitz des Kopfringes zu gewährleisten. Das Werkzeug dazu sollten Sie für Notfälle immer bei sich tragen.
Wenn Sie ungewöhnliche Schmerzen haben, einen lockeren oder verschobenen Stift bemerken sollten Sie umgehend Ihren Arzt informieren.

10.3 Air-Flo Weste
Weste zur Stabilisierung des Oberkörpers und Halterung des Fixateurs.
Einstellungen dürfen nur von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden!
Die Weste darf von einem Helfer nur geöffnet werden, wenn Sie auf dem Rücken liegen! Ansonsten verliert die Konstruktion ihre Stabilität und Ihr Nacken gerät erneut in Gefahr.

10.4 Kunstfell-Futter
Vor Nässe schützen!
Es empfiehlt sich, das standardmäßige Futter der Weste mit dünnen, auswechselbaren Baumwolltüchern zu unterlegen und so Verschmutzungen sowie Geruchsbildung zu verhindern. Tücher oder T-Shirt dazu jeweils für Vorderteil und Rückseite zurechtschneiden.

10.5 Schlafen
Das Tragen eines Halo-Fixateurs ist körperlich anstrengend und wahrscheinlich brauchen Sie mehr Schlaf als zuvor. Hören Sie genau auf Ihre innere Stimme und ruhen Sie sich aus, wenn Sie erschöpft sind, um neue Kraft zu sammeln.
Ich habe ausschließlich auf dem Rücken geschlafen, woran man sich auch als notorischer Seitenschläfer rasch gewöhnen kann. Ein zusammengerolltes Gästehandtuch kann den Raum zwischen Kopf und Kissen überbrücken. Es darf jedoch nicht zu dick sein oder drücken.
Schlafen auf der Seite war für mich nicht praktikabel, da ich in meiner Schulter zu wenig Kraft hatte. Zudem hat es überall gedrückt und war allgemein recht unbequem. Laut Hersteller des Bremer Halo-Fixateurs soll sogar Schlafen in Bauchlage und Umdrehen möglich sein, was ich jedoch nicht bestätigen kann.

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10.6 Aufstehen
Am besten geeignet ist ein Krankenbett mit Elektromotor, mit dessen Hilfe ich auch nachts alleine aufstehen konnte. Aus eigener Kraft war mit das leider nicht möglich.
Man sollte nicht versuchen, seinen Oberkörper allein durch die Kraft der Bauchmuskeln aus der Hüfte aufzurichten, da so die Stifte im Kopfring zu sehr beansprucht werden.
Nach Abnahme des Fixateurs und einigen Muskelübungen konnte ich mich dann später auf die Seite drehen und mit Ellbogen und Hand hochdrücken.

10.7 Körperpflege
Da das Fell-Futter der Weste nur gewechselt werden darf, wenn es medizinisch unausweichlich ist, müssen Sie versuchen, Ihre Haut und das Futter so sauber wie möglich zu halten, was einige Übung erfordert.
Da das Fell nicht nass werden darf, ist ein Ganzkörper-Bad ausgeschlossen. Den Unterkörper kann man jedoch vorsichtig abduschen. Die Weste dabei eventuell mit Plastik vor Nässe schützen.
Wichtig: Für Trittsicherheit in der Wanne sorgen, um Stürze zu vermeiden.
Die beste Lösung ist Waschen mit einem leicht nassen Waschlappen. Die freiliegenden Körperteile kann man selber bearbeiten, für Brust und Rücken benötigt man Hilfe. Zum Waschen der Oberkörper-Vorderseite flach auf den Rücken legen und dann den Gurt lockern. Ein Helfer kann nun vorsichtig unter dem Fell wischen. Nach dem Verschließen des Gurtes mit der Brust auf einen Hocker o.ä. aufstützen und den Rücken wischen lassen (eine Wohltat!). Hier ist nicht viel Platz, also nur ein dünnes Tuch verwenden.

10.8 Kopfhaut
Auch unter den erschwerten Bedingungen des Fixateurs ist regelmäßige Haarwäsche äußerst wichtig. Gerade für Neurodermitiker können hier sonst Probleme wie erhöhte Schuppen- und sogar hartnäckige Krustenbildung bis hin zu eitrigen, bakteriellen Infektionen entstehen.
Eine radikale Kurzhaar-Frisur erleichtert die Pflege.
Am besten ist die Haarwäsche durchzuführen, indem Sie sich vor eine Badewanne knieen und ein Helfer vorsichtig die Wäsche erledigt. Achtung: Das Fell der Weste darf dabei nicht nass werden. Oberkörper und Hals mit Handtüchern schützen!
Haare weder färben noch tönen. Kein Haarspray, -festiger oder sonstige, die Haut um die Stifte herum reizende, Substanzen verwenden.

10.9 Kleidung
Am unkompliziertesten ist ein Pyjama mit knöpfbarem Oberteil oder Jogging-Anzug mit Reißverschluss. Generell ist weite und bequeme Kleidung ratsam.

10.10 Oberbekleidung
Dank der Stangen des Fixateurs ist es fast unmöglich, normale und modische Oberteile zu tragen.
Deshalb haben wir einen Prototypen entwickelt, der durch Einschnitte und Klettverschlüsse auch um die Stangen herum befestigt werden kann.
Nähere Informationen: ChristModen, Christel Schwarz, Fichtenweg 21, 41372 Niederkrüchten

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10.11 Schuhe
Bequemes und festes Schuhwerk mindert das Sturz- und Rutschrisiko. Schuhe mit Absätzen oder Stöckelschuhe hingegen stören das Gleichgewicht.

10.12 Sonne
Gerade nach einem Schädel-Hirn-Trauma ist die pralle Sonne möglichst zu meiden.
Zudem kann es besonders im Sommer durch das Fell-Futter der Weste schnell zu warm werden.

10.13 Physiotherapie
Die eingeschränkte Bewegungsfreiheit sollte man durch Krankengymnastik kompensieren, andere Verletzungen mit einbeziehen und versuchen, sich und seine Muskeln bestmöglich auf normale Bewegungsabläufe wieder vorzubereiten.

10.14 Aktivitäten
Zu Anfang werden Sie sich erst an den schweren Fixateur gewöhnen müssen. Ihre Bewegungen werden etwas unbeholfen und unsicher sein. Aber daran kann man sich gewöhnen.
Wichtig ist, sich nicht aus falscher Scham zu verstecken. Dazu besteht überhaupt kein Grund und Sie werden die gesteigerte positive Aufmerksamkeit an Ihrer Person bald nicht mehr missen wollen. Seien Sie fröhlich und geistig sowie in Maßen körperlich aktiv, das unterstützt eine rasche Heilung.
Ruhen Sie sich aus, wenn Sie erschöpft sind!

10.15 Transport

Während Sie den Fixateur tragen gelten Sie als fahruntüchtig und sollten in keinem Fall versuchen, selbst zu fahren!
Am praktischsten in der Transport in einem Auto, in das Sie mit Hilfe einer Begleitperson leicht ein- und aussteigen können und das ein ruhiges Fahrverhalten aufweist.
Der Beifahrersitz war für mich am besten geeignet, da hier der meiste Platz ist und man die Kopfstütze so einstellen kann, dass sie nicht stört.
Zum Einsteigen zuerst rückwärts auf den Sitz setzen, Oberkörper nach vorne beugen und vorsichtig zusammen mit einem Bein nach innen schwenken. Das andere Bein nachziehen.
Anschnallen nicht vergessen! Aussteigen in umgekehrter Reihenfolge.

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10.16 Ernährung
Da der Fixateur sehr schwer ist und Bewegungen so noch anstrengender macht, werden Sie wahrscheinlich mehr Kalorien verbrennen, als normal. Es kann also sein, dass Sie etwas abnehmen. Ernähren Sie sich aber weiterhin normal mit vielen Vitaminen, Eiweiß und Milch/ Milchprodukten.
Achten Sie darauf, dass die Gewichtsschwankungen nicht zu groß werden, da sonst der korrekte Sitz der Stützweste nicht mehr gewährleistet sein kann.

10.17 Abnahme des Fixateurs
Nach etwa 15 Wochen, wenn Ihre Verletzung ausreichend verheilt ist, wird Ihr Arzt die Abnahme des Fixateurs anordnen.
Keine Angst! Ihr Kopf wird halten und die Schmerzen sind erträglich sowie schnell vorbei.
Medizinisch geschulte Helfer werden die Stützweste, das Gestell und den Kopfring mit Stiften entfernen. Pflaster schützen die Wunden der Stifte. Schon nach ein oder zwei Tagen beginnen die Löcher zuzuheilen und können unbedeckt bleiben.

10.18 Stützhilfe
Ein Teufelgestell oder ein Stützkragen wird Ihrem Kopf etwas Stabilität geben.
Da Ihr Nacken lange Zeit nicht genutzt wurde, haben sich Muskeln und Sehnen zurückgebildet. Ihr Kopf wird sich also erst sehr schwer und wackelig anfühlen und sich kaum bewegen lassen. Trainieren Sie täglich die Beweglichkeit, so wird es jeden Tag etwas besser gehen!
Durch die veränderten Gewichtverhältnisse und die ungewohnten Bewegungen des Kopfes kann Ihnen Anfangs etwas schwindelig sein. Das gibt sich aber nach ca. zwei Wochen wieder.

10.19 Deko-Ideen
Je nach Jahreszeit oder Ereignis lässt sich ein Halo-Fixateur auch prima als Grundlage für individuelle und stimmungsvolle Dekorationen nutzen. In der Weihnachtszeit z.B. ein schön geschmückter Kranz (Vorsicht mit brennenden Kerzen!), zu Ostern ein Nest mit Eiern und Schoko-Hasen ... ;))))

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